Das Wordcamp Berlin 2010 war das schrägste Barcamp, was ich bisher erlebt habe. Aber der Reihe nach…
Letztes Jahr habe ich mich nicht nach Jena getraut, weil ich gedacht habe, das Wordcamp ist nur für Coder und ich bin ja „nur“ Anwenderin, aber Achim kam mit sehr vielen tollen Ideen nach Hause – unter anderem der Idee fürs Almcamp und anhand des Session Planes habe ich gesehen, dass es viele Session zu den Themen Blog, Blogger und bloggen gab, also hab ich beschlossen, nächstes Jahr fahr ich mit. Und das war das Wordcamp 2010 für mich:
Was ich positiv fand:
- Die 10 Euro Gebühr gegen No Shows
- Die Philosophie der Location
- Das stabile WLAN
- Die Versorgung mit ausreichend Getränken und frischem Obst
- Das kühle Eis am Nachmittag
- Die super schnelle Sessionplanung
- Die Ausschilderung ab U-Bahnhof
- Den ausgedruckten Sessionplan
- Die WordPress-Klinik
Was ich negativ fand:
- Die Sessionräume
- zu wenig Steckdosen
- Keine Unterstützung für die Mittagspause
- Der Sessionzeitplan
- Änderungen im Sessionplan waren kaum zu bemerken
- Die große Pause für das Fußballspiel
- Mangelndes Socialising
Die No-Show-Gebühr
Die 10 Euro Gebühr sollten dafür sorgen, dass es weniger No-Shows gibt. Das Geld soll einer Organisation gespendet werden. Diese Idee finde ich toll, ich glaube aber nicht, dass sie funktioniert hat. Allen, die abgesagt haben, sind die 10 Euro wohl egal. Nur das Orgateam kann sagen, ob die No-Show-Rate diesmal kleiner war. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass viele nicht erschienen sind. Aber die Idee fand ich grundsätzlich schon mal super.
Die Philosophie der Location
Nachdem ich im nachhinein über das Betahaus gelesen habe, fand ich es eine sehr gute Idee, ein Barcamp in diesen Räumlichkeiten, wo es um Netzwerken und Zusammenarbeiten und sich Austauschen geht, abzuhalten.
Das stabile WLAN
Selten oder bisher gar nicht, hatte ich den ganzen Tag über eine stabile WLAN Verbindung und eine so problemlose Anmeldung und Wiederverbindung wie im Betahaus. Obwohl ich nicht die speed-Version hatte, war die Verbindung schnell genug.
Die Versorgung mit Getränken und frischem Obst
Aufgrund der großen Hitze wurde viel getrunken und es gab ausreichend Wasser, Saft und Kaffee. Wer wollte konnte sich gegen Gebühr im Cafe mit weiteren Heiß- und Kaltgetränken versorgen. Das war eine gelungene Kombination und ich finde es toll, dass das Cafe es zugelassen hat, dass dort kostenlose Getränke angeboten wurden.
Das kühle Eis am Nachmittag
Wir haben alle entsetzlich unter der großen Hitze gelitten und die kleine Erfrischung durch Eis am Stil am Nachmittag war eine sehr nette Geste. Danke dafür!
Die super schnelle Sessionplanung
Die Sessionplanung ist bei den meisten Barcamps ein Problem und dauert of ewig und wird dann wieder umgeworfen. Hier gab es schon vorab einen Sessionplan und nur wenige weitere Sessions kamen hinzu. Die Vortragenden hielten sich kurz in der Beschreibung ihrer Sessions und so war die ganze Sache in wenigen Minuten abgehandelt. Ich wünschte, es wäre auf jedem Barcamp so einfach!!
Die Ausschilderung ab UBahnhof
Die gute Beschilderung hat uns sehr gut geholfen, die Location zu finden und die Registrierung ging schnell und umkompliziert. Sein eigenes Namensschild zu beschriften geht halt schneller, als eins aus hunderten herauszusuchen…
Der ausgedruckte Sessionplan
Auch wenn es auf einigen Barcamps bereits iPhone Apps für den Sessionplan gibt, fand ich die 1.0 Version ausgedruckt auf Papier sehr nett. Sie hing überall aus und man konnte mal eben schnell drauf schauen. Vorteil gegenüber dem berühmten Papierwiki von Klagenfurt war, dass die Ausdrucke wirklich überall hingen.
Die WordPress-Klinik
So etwas wünsche ich mir auf jedem Barcamp. Eine Anlaufstelle für Fragen zu bestimmten Programmen, Plattformen oder Anwendungen… Genial!
Die Sessionräume
In den letzten Jahren wurde deutlich, dass die Location einen enormen Einfluss auf das jeweilige Barcamp hat. Das Tourismuscamp in Kaprun hat damit angefangen und mit Ledersofas gesponsert vom XLutz einen sehr anregenden Kreativitätsfördernden und den Austausch anregenden Raum geschaffen. Andere Barcamps haben das aufgenommen und weiter entwickelt. So gab es in Klagenfurt in den sonst so nüchternen Hörsälen der Uni Blumenschmuck von der Stadtgärtnerei.
Die Sessionräume im Betahaus waren eine Zumutung. Komplett kahl. Keine Tische. Karge Stromversorgung (erst später habe ich bemerkt, dass in der ersten Zuhörer-Reihe Mehrfachstecker zur Verfügung standen. Die Akustik war nicht zu ertragen. Publikum und Vortragende hatten enorme Probleme. Im Sessionraum 3 hörte man viel aus Raum 2, Raum 4 und obendrauf kam noch das laute Knallen der Aufzugtür. Es war sehr heiß an dem Tag und man musste sich sowieso schon stark konzentrieren aufgrund der Raumtemperatur, aber die akustische Situation hat eine sinnvolle Kommunikation unmöglich gemacht, da selbst die Vortragenden die Fragen aus dem Plenum kaum verstanden haben.
Die Bestuhlung war unglaublich unbequem und man musste befürchten, mit dem Stühlchen im nächsten Moment zusammen zu krachen. Ich bin sehr erstaunt, dass man da keinen Sponsor gefunden hat, der gerne seine Möbel zur Verfügung stellt, in dem Wissen, dass die Blogger dann anschließend gerne darüber bloggen und sich bei Flickr und Co etliche Bilder davon finden werden. Beim Barcamp Graz gab es Sitzwürfel aus Karton mit Werbeaufdruck, die jeder mit sich herum getragen hat von Sessionraum zu Sessionraum und es war ein großer Spaß.
Auch wenn nur 12 Frauen auf dem Barcamp waren, eine Toilette bei den Sessionräumen wäre schon toll gewesen. Vier Stockwerke bei der Hitze waren nämlich gar nicht so einfach zu bewältigen und der Lift war nicht immer in Betrieb.
Zu wenig Steckdosen
In den letzten Jahren sollte es sich herumgesprochen haben, dass die Regel 1 von Barcamps „You do blog about barcamps“ sehr gerne eingehalten wird. Deswegen hat es sich bewährt, überall im Sessionraum Mehrfachstecker zu verteilen. Und für einen Karton 3er Stecker hat sich bisher immer ein Sponsor gefunden.
Keine Unterstützung für die Mittagspause
Auch wenn auf fast allen Barcamps das Mittagessen gesponsort wird, muss ich das nicht haben. Was aber unverzichtbar ist, ist der Austausch zwischen den Teilnehmern und der ist gerade bei den Mahlzeiten nicht zu unterschätzen. Auch wenn ich kein kostenloses Mittagessen ausgebe, kann ich doch einige Tipps geben, wo man hingehen kann oder evtl. sogar einen Raum vorbestellen. Ich wäre dankbar gewesen für den Hinweis, dass in Berlin Kreuzberg an einem Samstag Mittag fast alles geschlossen hat und hätte mir das herumirren in der großen Hitze in der Stadt nach Qype und Google-Maps Treffern gerne erspart. Ich gehe davon aus, dass das Orgateam ortskundig ist und da einige Hinweise hätte geben können. Vielleicht hätte man ja auch andere Teilnehmer getroffen oder wäre gleich in einer größeren Gruppe dort hin gegangen. Das Gespräch mit den anderen habe ich sehr vermisst.
Der Session-Zeitplan
Bewährt hat sich in den letzten Jahren die Kombination: 30 Minuten Vortrag, 15 Minuten Diskussion und dann Pause bis zur nächsten Session zur vollen Stunde. Die kleine Pause hat viele Vorteile: Abgesehen davon, dass man sich kurz einen Kaffe holen kann oder aufs Klo geht, kann man sich auch kurz mit anderen Teilnehmern unterhalten, die Diskussion vertiefen oder kurz mal entspannen kann. Beim Wordcamp kam ich eigentlich zu jeder Session zu spät.
Änderungen im Sessionplan waren kaum zu bemerken
Der Sessionplan stand schon vorher fest, allerdings war es ein Problem ihn aktuell zu halten. Bei den anderen Barcamps wird ein Wiki benutzt für den Sessionplan und bisher gab es immer eifrige Teilnehmer, die den Plan aktualisiert haben. Beim Wordcamp 2010 erfuhr ich erst hinterher, dass eine Session, die ich besuchen wollte gerade parallel stattgefunden hatte. Da ist doch das Wiki und die iPhoneApp klar im Vorteil. Im Wiki werden übrigens auch dann von denen, die eine Session gehalten haben, die Links zu ihren Präsentationen eingetragen. Eine sehr schöne Dokumentation für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten.
Die große Pause für das Fußballspiel
Ein absolutes Manko beim Wordcamp war die Pause für den Fußball. Bereits um 14 Uhr war das Public Viewing eingerichtet und der Lärm erschwerte die ohnehin schon extrem schwierige akustische Situation. Das Wordcamp wurde dadurch komplett zerrissen und die letzten Sessions waren fast gar nicht mehr zu verstehen.
Mangelndes Socialising
Das Um- und Auf eines Barcamps neben dem Wissensaustausch ist das Netzwerken (dabei kann natürlich auch Wissen ausgetauscht werden). Es ist das Herzstück von Unkonferenzen. Beim Wordcamp Berlin fing es auch ganz gut an am Freitagabend. Da habe ich allerdings schmerzlich ein WLAN vermisst. Am Samstag war es dann allerdings kaum möglich, sich auszutauschen. Zunächst habe ich die Vorstellungsrunde vermisst. die ist meistens ein guter Anfang, weil man dann schon weiß, „mit dem in dem grünen T-Shirt muss ich mich mal unterhalten.“ Desweiteren herrschte im Cafe im Betahaus eine ähnlich schlechte Akustik wie in den Sessionräumen. Die kleine Messe und der Aufbau fürs Public Viewing sowie erste Zuschauer ab 14 Uhr erstickten jede Unterhaltung im Keim. Und wie oben schon geschrieben war zwischen den Sessions und während der Mittagspause keine Gelegenheit. Ob es einen offiziellen Ort für Samstagabend geben würde, wurde leider erst ziemlich spät bekannt gegeben und viele hatten sich für den Abend schon etwas anderes vorgenommen.
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Die Sessions
Ich bin zum Wordcamp gefahren wegen der Session Rund um das Thema Blog. Leider gab es rein gar nichts zu diesem Thema. Nun gut. Die Sessions kann man nicht vorher bestimmen, aber ich hatte schon irgendwie das Gefühl, dass das Angebot eher verhalten war. Vier Slots hätte es gegeben, aber meistens waren nur 2 belegt. Ich würde mir sehr wünschen, dass das Wordcamp wie andere Barcamps auch über zwei Tage geht. Viele Teilnehmer bekommen am ersten Tag eine Idee über was sie am zweiten Tag eine Session halten können.
Die Sessions, die ich sehr gut und interessant fand waren ausgerechnet die, die nix mit WordPress zu tun hatten: QR-Codes, Screencast und WordPress und Bildung. Und die beste Session überhaupt war die Antifußballsession. Darin ging es dann auch um WordPress.
Was sich auf anderen Barcamps inzwischen auch bewährt und fast eingebürgert hat sind live-streams der Sessions manchmal sogar mit Aufzeichnung. Man muss nicht so weit gehen, wie in Eichstätt und für das Plenum mehrere Mikrofone bereithalten. Es reicht auch völlig, wenn der Vortragende die Fragen aus dem Publikum wiederholt, bevor er antwortet. So sind schon einige spannende Diskussionen entstanden mit Leuten, die das Geschehen von zum Teil anderen Erdteilen verfolgt haben.
Fazit:
Für mich war es das schrägste Barcamp überhaupt. Ich hatte den Eindruck, dass Wordcamper keine Barcamper sind und ich habe mich sehr gewundert, warum man nicht einfach mal schaut, was andere Barcamps so machen.
Bei Jan Theofel gibt es eine wunderbare Anleitung, wie man ein Barcamp organisiert. Ich selber habe diese Anleitung weiter ausgeführt für One-Location-Barcamps und ich glaube es gibt noch viel mehr Erfahrungsberichte im Netz darüber.
Was mich auch sehr gewundert hat, ist das Thema Sponsoring. Immer wieder wurde im Laufe der Diskussion das Geld erwähnt. Ich kann einfach nicht glauben, dass es in der Großstadt Berlin nicht möglich sein soll eine gesponserte Location einer Firma zu finden. Die haben Seminarräume und Konferenzräume und hören auch gerne zu, was in der Szene so los ist. In Frankfurt waren wir bei Cisco und in Wien bei Microsoft. Auch Universitäten sind gerne bereit, ihre Räume zur Verfügung zu stellen (Klagenfurt und Graz). IHK und andere Wirtschaftsinstitutionen sind weitere Anlaufstellen.
Weiterhin weiß ich, dass Sachsponsoring leichter möglich ist als Geldsponsoring. Mir hat man von sich aus Stühle angeboten, ohne dass ich danach gefragt hatte und von einer Molkerei hätte ich Trinkjoghurts, Molke und Käse umsonst bekommen. Getränkehersteller stellen auch gerne mal eine Palette von einem neuen Softdrink auf ein Barcamp und in Kaprun gab es ein gesponsertes Frühstück mit Müsli von Nestle. Im Gegenzug dürfen die Sponsoren zum Beispiel anhand von Umfragen herausfinden, wie ihr neues Produkt angekommen ist. Es kann doch nicht sein, dass in der deutschen Hauptstadt niemand bereit sein soll, ein Barcamp zu sponsern. Das will ich einfach nicht glauben.
Ach ja, falls jetzt jemand damit kommt, man solle doch selber machen und nicht meckern. Ich habe das Almcamp 2009 mit organisiert und wir planen gerade das diesjährige. Ich weiß also, wovon ich rede… Wir können leider mit Sachsponsoring kaum etwas anfangen, ich gebe aber gerne meine Erfahrung in diesem Punkt weiter.
Das Wordcamp 2010 war die lange und teure Anreise für mich persönlich nicht Wert. Eine Teilnahme für 2011 werde ich mir sehr gut überlegen.
Für das Orgateam für das Wordcamp 2014: die Fußballweltmeisterschaft findet vom 13. Juni bis 13. Juli statt!! Falls Deutschland dort als Titelverteidiger antreten sollte…